Weißfaktor

Artikel vom Zuchtkomitee der ABCD e.V

Weißfaktor und Taubheit beim Border Collie

Als zunächst einmal subjektive Wahrnehmung ist uns aufgefallen, dass die Anzahl der Hunde mit viel Weiß in den letzten Jahren zugenommen hat. Das heterogene Aussehen unserer arbeitenden Border Collies ist an sich ein Grund zur Freude, jedoch sollten Züchter und auch Käufer sich bewusst sein, dass eine Zunahme von nicht pigmentierten Stellen, also weiß, auch gewisse Risiken mit sich bringen kann.
Die kongenitale (angeborene) Taubheit ist in 54 Rassen (Strain et al.) beschrieben worden, dazu gehört auch der Border Collie. Diese Form der Taubheit hat mit der Pigmentierung des Innenohres zu tun. Sie wird sensorineurale Form der Taubheit genannt. Die Ursache liegt in einer Schall‐ aufnahme‐und ‐weiterleitungsstörung im Innenohr. Sinneszellen im Innenohr, die sogenannten Haarzellen, die den Schall aufnehmen und an den Hörnerv weiterleiten, können bei einem Mangel an pigmentbildenden Zellen (Melanozyten) degenerieren. Melanozyten sind für die Entwicklung und den Erhalt dieser Sinneszellen wichtig. Fehlen also diese pigmentbildenden Zellen, kann es zur Degeneration von Innenohrstrukturen und damit zur Taubheit kommen.
Wie ist der Erbgang für genetische Taubheit? Es sind 2 unterschiedliche Gene für Fellfarben und ‐ zeichnungen, die zu dieser angeborenen Taubheit führen können.
Zum einen ist dies das dominante Merle‐Gen (Mm), das in reinerbiger Form (MM) bei etwa 25 % der betroffenen Welpen zu ein‐ oder beidseitiger Taubheit führt, sowie zu Missbildungen der Augen führen kann. Daher sollten niemals 2 merlefarbene Hunde miteinander verpaart werden. Die Verpaarung von 2 Merlehunden wird im „Gutachten zur Auslegung des Verbotes von Qualzüchtungen“ aufgeführt und fällt damit unter § 11 des Tierschutzgesetzes. Die Anzahl an Hunden mit dieser Mutation, dem Merle‐Gen, ist in der ISDS‐Population relativ gering, und der Wissensstand über die Gefahren ist sehr hoch, daher sehen wir hier keine Probleme.
Das zweite bekannte Gen, das zu einer angeborenen Taubheit bei Hunden führen kann, ist die sogenannte Piebald‐Scheckung, die bei vielen Hunderassen für die weiße Fellfarbe verantwortlich ist, wie zB beim Dalmatiner, der reinerbig für diese Mutation (Piebald‐Gen) ist. Bei der Piebald‐ Scheckung kommt die weiße Fellfarbe dadurch zustande, dass an den weißen Stellen keine pigmentbildenden Zellen vorhanden sind. Beim Albinismus hingegen sind Melanozyten vorhanden, nur die Bildung des Pigments in den Zellen ist gestört.
Der Dalmatiner ist die Hunderasse mit den höchsten Zahlen an kongenitaler ein‐ oder beidseitiger Taubheit mit Anteilen von über 20 % in der Population. Bislang konnte beim Hund nur das Piebald‐ Gen als für die Scheckung verantwortlicher Genort ausfindig gemacht werden. Dazu kommen allerdings noch Modifikationsgene, die die Ausprägung der individuellen Scheckung beeinflussen. Nach einer wissenschaftlichen Abhandlung von Schmutz et al. 2009 hat ein Hund mit der für den Border Collie bekannten klassischen Zeichnung an dem Genort keine Mutation (Piebald‐Gen), die Abzeichen werden allein durch die Modifikationsgene verursacht. Die klassische Zeichnung des Border Collies wird auch irische Zeichnung genannt.
Nicht klassisch gezeichnete Border Collies können jedoch sowohl misch‐als auch reinerbig für das Scheckungsgen (Piebald‐Gen) sein. Auch reinerbig gescheckte Hunde können sehr unterschiedlich aussehen, verantwortlich sind hierfür wieder die Modifikationsgene. Möglich sind eine Mantelscheckung bis zu dunklen Flecken nur am Kopf und an der Hüfte.

Dies ist alles recht wissenschaftlich. Um es auf den praktischen Punkt zu bringen, kann man aber noch heute die alte Border Collie‐Züchterregel verwenden: Weiß in der Zeichnung sollte nicht überwiegen, weil einen dies in der weiteren Zucht stark einschränken kann. Und noch wichtiger: Werden 2 Hunde, bei denen eine deutliche Scheckung vorliegt, miteinander verpaart, so muss man sich als Züchter des Risikos einer Hörstörung bewusst sein.
Zur Einschätzung des Weißfaktors können folgende Zeichnungsvarianten hinzugezogen werden, bei denen der Verdacht auf zumindest Mischerbigkeit für das Scheckungsgen vorliegt:
1.    weißer/halbweißer Kopf
2.    sehr großer, weißer Kragen, der bis über die Schulterblätter reicht
3. hochweiße Hinterbeine (übers Sprunggelenk hinaus, bzw. weiße Innen‐ oder Außenseiten
der Oberschenkel)
4. weiße Unterbrechungen der farbigen Decke
Bei stark weißen Welpen, vor allem bei Welpen mit einem weißen Kopf, sollte eine audiometrische Untersuchung (BAER‐Test) vor dem Verkauf durchgeführt werden. Diese ist nur bei bestimmten Tierärzten mit entsprechenden Geräten durchführbar. Dafür müssen die Welpen in Narkose gelegt werden, damit es zu keinen Abweichungen bei der Messung der Hirnströme kommt. Die Kosten für diese Untersuchung betragen ca 140 € pro Welpe, und die Untersuchung ist frühestens mit 5 Wochen durchführbar. Noch besser wäre ein späterer Zeitpunkt, um auszuschließen, dass es doch noch zu nachträglichen Degenerationen der Haarzellen gekommen ist. Beim Dalmatiner kann dies bis zur 8. Lebenswoche der Fall sein.
Auch wenn Farbe an sich natürlich reine Geschmackssache ist, kann die Verpaarung von 2 weißfaktorierten Hunden also einen erheblichen Kosten‐ und Zeitaufwand für den Züchter mit sich bringen. Ein tauber Welpe wird schwer zu vermitteln sein. Er wird kaum zur Arbeit am Vieh auszubilden sein, auch wenn er die sonstigen Kriterien erfüllt.
Es gibt in der ISDS keine Regeln die Farben und Scheckungen betreffend; in anderen Zuchtverbänden werden weißfaktorierte Hunde gänzlich von der Zucht ausgeschlossen.
Dass bei weißen Hunden Taubheit erheblich häufiger auftritt, konnten die Schäfer jedoch schon vor langer Zeit aus Beobachtung lernen. Heute ist der Zusammenhang zwischen der weißen Fellfarbe und angeborener Taubheit auch wissenschaftlich bewiesen. Und im Gegensatz zu vielen Erbkrankheiten wie CEA, Epilepsie oder HD ist hier den Hunden die Möglichkeit, weiße Hunde zu bringen, von außen anzusehen und damit das Risiko einer teilweisen oder völligen Taubheit einfach vermeidbar. Um es zusammenzufassen: viele Hunde mit weißen Ohren hören genauso gut wie andere, dennoch ist das Risiko von Hörschäden erwiesenermaßen deutlich höher.
Jeder Züchter soll, darf und muss selbst entscheiden, wie viel Risiko er eingehen möchte. Aufgabe des Zuchtkomitees ist es, ihm die dazu nötigen Informationen zu beschaffen.

Euer Zuchtkomitee

Quellen:
−  MITF and white spotting in dogs: A population study, Schmutz , Berryere, Dreger, Oxford Journals, 
Journal of heredity, 2009
−  Tierzucht, Prof. Dr. Ottmar Distl, Institut für Tierzucht und Genetik, Stiftung Tierärztliche 
Hochschule Hannover, 2010
−  Strain, G. M. 2004. Deafness prevalende and pigmentation and gender associations in dog breeds at
−  risk. The Veterinary Journal

Kommentare sind geschlossen.